Drei Studierende berichten von einer althistorischen Exkursion in die Südwest-Türkei
Sophie Reinecke, Geschichte und Religion, 6. Semester
Exkursion in die Westtürkei – staubig und trocken?
Die Alte Geschichte ist staubig und trocken? Das hat uns Frau Dr. Froehlich schon in der Einführungsveranstaltung im ersten Semester verneint, indem sie uns die Vielfältigkeit der Antike aufzeigte. Damals haben mich besonders die Exkursionsbilder, die sie uns zeigte, fasziniert. Niemals hätte ich gedacht, dass ich selbst bei einer solchen spannenden Exkursion dabei sein kann.
Doch zwischen dem 27. Mai und 4. Juni 2023 war ich selbst Teil des Exkursion-Teams. Schon die intensive Vorbereitungsphase der Exkursion stimmte mich auf die interessanten Städte und Themen ein. Alle Vorstellungen, die ich dort erlangt habe, wurden dann in der Türkei übertroffen. Besonders beeindruckend fand ich, abseits des fachwissenschaftlichen Teils, das schnelle Zusammenwachsen der Gruppe. Ich habe in dieser Zeit viele interessante Gespräche geführt und großartige Menschen kennengelernt, umso glücklicher bin ich, die meisten lustigen Anekdoten in unserem Exkursionsband nachlesen zu können und in den Erinnerungen zu schwelgen.
Die Vielfältigkeit der Städte beeindruckte mich sehr. Über gut ausgegrabene Touristenattraktionen bis hin zu überwachsenen Siedlungshügeln, bei denen man lediglich das Theater erahnen konnte, habe ich alles ansehen dürfen. Besonders intensiv hat die Exkursion mich das architektonische Wissen erlernen lassen. In jeder Stadt konnte man sein Wissen anwenden und zum Ende der Exkursion konnte jede*r Teilnehmer*in die unterschiedlichen Säulenformen unterscheiden.
Ich konnte auch die in meinem Studium erlernten Sprachen Latein und Altgriechisch in der Praxis anwenden. Nicht selten standen wir vor Inschriften und rätselten, was sich hinter den Buchstaben verbirgt. Erfolgreich entziffern konnten wir sie immer. Dies motivierte mich, meine Sprachkenntnisse abseits der Exkursion anzuwenden und neue Sprachen zu erlernen. Mein Interesse für die antike Mythologie wurde auch geweckt. Schon in den ersten Tagen nach der Heimkehr las ich einige Bücher über dieses Thema.
Ein weiteres persönliches Highlight war für mich die Führung durch eine Wissenschaftlerin des Österreichischen Archäologischen Instituts in Ephesus. Die Hanghäuser waren wunderschön anzusehen. Noch beeindruckender fand ich jedoch die Sinterterrassen in Hierapolis. Dort ist auch ein witziges Foto entstanden, dass ich sogar schon eingerahmt an einer Wand im Historischen Institut gesehen haben.
Insgesamt kann ich aufrichtig sagen, dass ich während der Exkursion und Exkursionsvorbereitung mehr gelernt habe als in manch einem Seminar. Abschließend kann gesagt werden, dass die Antike alles andere als staubig und trocken ist.
Paul Hannöver, Geschichte und Deutsch, 6. Semester
Epigraphische Eindrücke – Anfassen ist erlaubt
Neun Tage straffes Programm, wenn wir die An- und Abreise mit einrechnen, liegen hinter uns. Wir haben viel gesehen, viel erlebt und wenig geschlafen, sind fast 2000 Kilometer Bus gefahren und haben gefühlt jede Inschrift gelesen. Zugegeben, das mit den Inschriften ist vielleicht eine Übertreibung. Wenn auf etwa jedem zweiten Stein irgendetwas steht, ist es wohl nicht möglich, wirklich alles zu lesen. Aber viel war es! So viel, dass der Altphilologe Immanuel Musäus sogar angefangen hat, Gespenster zu sehen. Ist diese Maserung ein Wort? Ist das noch Erosion oder schon Buchstabe? Steht da ἡ βουλή και ὁ δῆμος in den Wolken …?
Gelernt haben wir dabei natürlich viel: Einordnung der Inschrift über den Schriftstil, warum dieses immer wieder auftauchende C kein C ist (1. Das C gibt es im Griechischen gar nicht. 2. Es ist ein sogenanntes lunares Sigma, also ein S), wer was wann für wen gebaut hat und wie mittels der vorhandenen Erwähnungen von Personen genau datiert werden kann, wann die Inschrift entstand.
Auch haben wir festgestellt, dass Inschriften lesen noch schwerer ist als normale Texte lesen. Ist das ein Iota oder ein Tau? Wer weiß, vielleicht kriegst du es raus, wenn du den Stein abfühlst? (Ja, Anfassen ist erlaubt. Ist ja immerhin ein Stein und kein Ölgemälde.) Das Prädikat muss der Steinmetz nicht mehr mitschreiben, ist teuer! Du kannst es doch aus dem Kopf ergänzen, du weißt doch was da stehen soll! (Nein, lieber Grieche, weiß ich leider nicht … vor 2000 Jahren war das vielleicht offensichtlich, aber ich hätte mich über das Prädikat wirklich gefreut!) Und so ist der Befund, wenn der Stein noch ganz ist. Ein Stück ist rausgebrochen? Die Hälfte fehlt? Well, tough luck, deal with it.
Trotz all dieser Schwierigkeiten macht es wirklich viel Spaß, eine Inschrift zu übersetzen. Jeder, der Spaß am Rätseln und Puzzeln hat, wird das bestimmt verstehen können. Mit der Begeisterung für das Fach kommt natürlich auch die Freude über den Inhalt dazu. Es ist einfach beeindruckend, Gedanken zu fassen, die vor so langer Zeit gedacht wurden.
Auch bemerkenswert ist die enorme Verbreitung von Inschriften. Klar, alle kennen Inschriften unter Statuen oder an Torbögen und Tempeln, aber habt ihr schonmal dran gedacht, euren Namen auf euren Lieblingsplatz im Theater zu meißeln, damit sich bloß niemand anders dahin setzt? Nein? Die Griechen schon. Bildnis und Name des Lieblingssportlers werden in der erstbesten Säule neben dem Sportplatz verewigt. Und wenn dir und deinen Freunden langweilig ist, kannst du ja einfach ein Brettspiel in die Straße hämmern, auf der du gerade sitzt. Bei dieser Omnipräsenz sollte es verständlich sein, warum Inschriften prägend für diese Exkursion waren.
Julius Grenz, Geschichte und Englisch, 6. Semester
Unterwegs auf antiken Straßen – und abends ein Bier am Mittelmeer
Die Exkursion, auf der wir uns auf den Spuren der antiken Städte in Kleinasien bewegten, zeichnete sich durch vielfältige Erfahrungen aus. Zum einen sind da die Abende, die einem in Erinnerung bleiben. Oft fand sich eine Gruppe von uns Studenten zusammen, von Zeit zu Zeit bereichert durch die Dozierenden, und man ließ den Tag ausklingen bei einem kühlen Bier oder für die, die sich an die lokalen Spezialitäten wagten, einem Raki. Hier wurde dann über das Erlebte gesprochen oder eine Runde Skat gespielt. Für diejenigen, die nach dem Tag noch Kraft hatten, war auch ein Rundgang durch die Stadt eine Option.
Zum anderen war die Besichtigung der antiken Städte eine komplett neue Erfahrung. Es war beindruckend, sich durch die verschiedenen alten Straßen zu bewegen, während man durch den Input, den jeder Studierende als Expert*in lieferte, tiefe Einblicke in das Leben und die Gebräuche antiker Menschen bekam. Vor allem war es immer eine Besonderheit, wenn sich Archäolog*innen Zeit nahmen und uns durch ihre Ausgrabungen führten.
Besonders beeindruckend war es, wie durch die Orte die Geschichte wieder lebendig wurde. Schon allein in einem Theater zu stehen und eine Rede zu halten und zu erfahren, was die Akustik eines solchen Ortes ausmacht, statt immer nur davon zu lesen, war die Reise wert. Auch wenn die Tage manchmal mühsam waren, weil man es nicht wahrhaben wollte, dass man nach vier Stunden Fahrt und zwei Ausgrabungen noch ein Museum besichtigen sollte, fand man doch irgendwie immer noch den Rest Energie, sich nochmal die Statue im letzten Raum etwas genauer zu betrachten. Und es war ein belohnendes Gefühl, wenn man dann im Kopfschmuck der Statue etwas entdeckte, was man vorher nie so hätte verstehen können – ohne das Vorwissen, das man an der Ausgrabung vor zwei Tagen erst erworben hatte.
Die Exkursion war manchmal hart, wenn man erschöpft in der Mittagsonne sich noch den Zwieback mit der Nachbarin teilte oder wenn einem vor lauter Informationen der Kopf rauchte. Doch Erfahrungen wie das kühle Bier in der Shisha Bar, während man über das Mittelmeer schaut, oder wie der Blick hinunter auf das antike Ephesos, während man darauf wartet, durch die für normale Besucher unzugängliche Paulus-Grotte geführt zu werden, waren es wert.
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