
Prof. Dr. Birte Arendt, © Privat
Niederdeutsch als kulturelles Erbe und Forschungsfeld
Niederdeutsche YouTube-Videos? Oder Niederdeutsch als Schulsprache? Wenn Ihnen das begegnet, dann ist vermutlich Prof. Dr. Birte Arendt beteiligt gewesen. Am 20.02.2025 wurde der Dozentin Dr. Birte Arendt die Bezeichnung Professorin verliehen. Im Interview erzählt sie von ihrem Weg in die Wissenschaft, ihrer Begeisterung für das Niederdeutsche und ihren Ideen für die Lehre.
Sie forschen und unterrichten zur Niederdeutschen Sprache. Wie erklären Sie einem Laien Ihr Fachgebiet?
Niederdeutsch ist die andere deutsche Sprache, die aktuell maßgeblich im Norden Deutschlands gesprochen und digital auch vermehrt geschrieben wird. Historisch war sie als Sprache der Hanse lingua franca im gesamten Ostseeraum. Besonders spannend sind aktuell sowohl soziolinguistische Fragen dazu, wer Niederdeutsch online wie wozu verwendet, wenn wir z. B. Niederdeutsch auf Instagram oder YouTube anschauen, als auch niederdeutschdidaktische Themen zur schulischen Vermittlung einer nicht standardisierten „Regionalsprache“.
Wann haben Sie selbst Niederdeutsch gelernt und wie kamen Sie dazu, es zu Ihrem Forschungsspezialgebiet zu wählen?
Ich bin quasi die klassische dritte Generation des familiären Niederdeutscherwerbs, wie viele unserer Studierenden. Also meine Großeltern haben es noch gesprochen, aber nicht mehr meine Eltern und schon gar nicht mit uns Kindern. Durch Familienfeste aber hatte ich es immer auch im Ohr und durch niederdeutsches Theaterspielen bald auch auf der Zunge. Neben den persönlichen Bezügen aber interessierte es mich als Linguistin natürlich brennend, den aktuell sehr dynamischen Sprachwandel von einer Familiensprache über mediatisierte Verwendungsweisen bis hin zu Lehrvarietäten in Deutschland, aber auch in Brasilien zu erforschen und mit anderen internationalen Regional- und Minderheitensprachen zu vergleichen.
Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell für Ihr Fach als wissenschaftliche Disziplin?
Die Niederdeutsche Philologie steht als kleines, gleichwohl forschungsstarkes und traditionsreiches Fach einerseits vor gestiegenen Anforderungen, künftige Niederdeutschlehrer*innen fundiert auszubilden, und kämpft andererseits noch immer mit den Kürzungen der letzten 20 Jahre, wo niederdeutsche Lehrstühle und Arbeitsbereiche ersatzlos gestrichen wurden. Das interuniversitäre Lehrnetzwerk Niederdeutsch vermitteln (LeNie) setzt genau an diesen Herausforderungen an und sieht in Kooperation und Digitalisierung mögliche Lösungsansätze.
Was ist Ihnen in der Lehre besonders wichtig?
In der Lehre ist mir die Interaktion mit den Studierenden besonders wichtig. Ihre Rückmeldungen und kreativen Ideen sind für mich Inspiration und Ansporn. Mein Lehr-Lern-Konzept sieht viel kooperative Lehre, wie z. B. in Gruppen- oder gemeinsamen Projektarbeiten, vor, was bei den Studierenden anfangs meist mit Hemmungen verbunden ist, in der Evaluation aber überwiegend positiv bewertet wird.
Welchen Tipp würden Sie Studierenden für ihr Studium und ihre Zukunft geben?
Gemeinsames, interaktives und selbstbestimmtes Lernen sind sicher zentrale Bestimmungsstücke eines erfolgreichen Studiums. Gleichzeitig haben Greifswald und die Umgebung auch für die Freizeit viel zu bieten, was als Erholung nach anstrengenden Lernphasen sicher guttut.
Was sind die wichtigsten Stationen in Ihrem Lebenslauf?
Nach dem Studium der Germanistik, Kunst, Deutsch als Fremdsprache (DaF) und Darstellendem Spiel an der Universität Greifswald bin ich als Deutschlektorin für ein Jahr nach Thailand an die SilpakornUniversität in Nakhon Pathom gegangen, was sehr inspirierend und herausfordernd war. Nach meine Rückkehr war das Institut für Deutsche Philologie der Universität Greifswald mein Heimathafen, wo ich promoviert und habilitiert habe. Ein Höhepunkt war die Einrichtung und Leitung des Kompetenzzentrums für Niederdeutschdidaktik (KND) 2017. Seit dieser Zeit habe ich mit meinen großartigen Mitarbeiterinnen Ulrike Stern und Antje Köpnick innovative Projekte realisiert, wie die Sprachlern-App BEO, umfangreiche Drittmittel eingewoben, z. B. für das interuniversitäre Lehrnetzwerk Niederdeutsch LeNie und Preise gewonnen.
Prof. Dr. Birte Arendt ist seit 2009 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Germanistische Sprachwissenschaft am Institut für Deutsche Philologie an der Universität Greifswald.
Zwischen 1993 und 2000 studierte sie an der Universität Greifswald Germanistik, Kunst, Deutsch als Fremdsprache (DaF) und Darstellendes Spiel. Ihre Leidenschaft für die niederdeutsche Sprache zeigt sich bereits in ihrer Doktorarbeit. Sie promovierte 2008 in Philologie mit einer Arbeit zum Thema „Der metasprachliche Diskurs über das Niederdeutsche. Eine diskursanalytische Untersuchung von Spracheinstellungen“. Anschließend war Prof. Dr. Arendt zwischen 2009 und 2013 Delegierte Mecklenburg-Vorpommerns im Bundesrat für Niederdeutsch und ist seit 2011 Teil des Fachbeirats für Heimatpflege und Niederdeutsch am Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur in Mecklenburg-Vorpommern. Heute ist sie nicht nur Leiterin des Kompetenzzentrums für Niederdeutschdidaktik an der Universität Greifswald, sondern ist auch Projektleitung des interuniversitären Lehrnetzwerks Niederdeutsch vermitteln (LeNie).
Interview: Wiebke Pförter