Campusleben

100 Jahre Sternwarte Greifswald

Das Foto zeigt die eingerüstete Kuppel der Sternwarte

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Von Jan Meßerschmidt, Pressesprecher der Universität &
Dr. Tobias Röwf, Vorstandsvorsitzender (2011-2024)

1924 – 2024 | 100 Jahre Sternwarte Greifswald | 12. Juli 2024
Feierliche Wiedereröffnung in der Aula der Universität Greifswald

Die Sternwarte Greifswald feierte am 12. Juli 2024 ihren 100. Geburtstag. Zum Jubiläum wurde die Sternwarte am Historischen Campus der Universität gemeinsam mit den geladenen 120 Freunden und Förderern wiedereröffnet. Die mehrjährige Generalsanierung der Sternwarte wurde von der Firma ZEISS gefördert. Die Universität Greifswald hat den gemeinnützigen Verein Greifswalder Sternwarte e. V. dabei ebenfalls finanziell und organisatorisch aktiv unterstützt.

Die Sternwarte an der Universität Greifswald im Gebäude der ehemaligen Physik nahm am 12. Juli 1924 ihren Betrieb auf. Die drehbare Sechs-Meter-Kuppel befindet sich in etwa 35 Metern Höhe auf einer Turmplattform des ehemaligen Physikalischen Instituts.

Ein Blick in die Geschichte

Am 12. Juli 1924, bekommt das von nationaler Bedeutung und denkmalgeschützte Physikalische Institut (1888–1891) auf dem Historischen Campus der Universität seine heutige Sternwarte. Zuvor war die bereits vorhandene für meteorologische Beobachtungen genutzte Turmplattform umgebaut worden. Damals wurde ein 20-cm-Zeiss-Refraktor (Linsenteleskop) mit einer Brennweite von drei Metern angeschafft. Um den Wissenschaftler Paul ten Bruggencate (1901–1961) nach Greifswald zu holen, entschließt sich die Universität das vorhandene Teleskop um ein 40-cm-Newton-Reflektor (Spiegelteleskop, 400 / 6.400) zu ergänzen. Im Jahr 1935 konnte dann das weltweit einzige Carl-Zeiss-Doppelteleskop in Betrieb genommen werden. Mit ihm war das Fotografieren von veränderlichen Sternen, wie zum Beispiel den Plejaden (Siebengestirn, japanisch Subaru), möglich. Dank der friedlichen Übergabe der Stadt zu Ende des Zweiten Weltkrieges konnte das weltweit einzige Carl-Zeiss-Doppelteleskop in Greifswald verbleiben.

Das Bild zeigt eine alte Zeichnung des alten Physikinstituts und dem Beobachtungsturm
Zeichnung Physik Beobachtungsturm
Das gelb stichige Foto vor 1924 zeigt die Physik mit Beobachtungsturm
Foto vor 1924 - Physik mit Beobachtungsturm

Die Generalsanierung

Im Sommer 2013 musste die Kuppel der Sternwarte durch Dachdeckermeister Andreas Ohlrich saniert werden. Dabei wurden auch das Turmzimmers renoviert und die Balkone saniert. Zudem wurde ein Machbarkeitsgutachten in Auftrag gegeben, das Klarheit über die Kosten und den zeitlichen Umfang der notwendigen Reparaturen des Teleskops bringen sollte. Im Januar 2014 beauftragte die Jahresmitgliederversammlung des Sternwartevereins den Vorstand, die vollständige Restaurierung des Carl-Zeiss-Doppelteleskops in die Wege zu leiten.

Im Jahre 2018 wurden die optischen Elemente des Spiegelteleskops demontiert und auf einer optischen Bank im bayerischen Haßfurt bei Nürnberg vermessen. Mit diesen Daten konnte im Jahre 2019 in Saarbrücken das ursprüngliche Newton-System für fotografische Aufnahmen in ein „visuelles“ Cassegrain-System umgebaut werden, was für den heutigen Besucherverkehr viele Vorteile bietet. Das Hochleistungs-Linsensystems von Carl Zeiss Jena wurde in Saarlouis vermessen.

In einer außerordentlichen Mitgliederversammlung wurde Ende Oktober 2020 entschieden, den Restaurator Uwe Meiling aus Könnern/Zellewitz bei Bernburg (Sachsen-Anhalt) mit der Sanierung zu beauftragen. Bei Eiseskälte wurde im Februar 2021 das Doppelteleskop in vier Einzelteile zerlegt und anschließend mit einem schweren Autokran aus der Sternwartenkuppel gehoben. Uwe Meiling zerlegte die vier Einzelteile in seiner Werkstatt weiter und untersuchte sie auf interne Schäden.

Ein Mann löst mit einem Schraubenschlüssel die Haltevorrichtung des Teleskops
Abbau-Teleskop-Sternwarte

Diese einmalige Chance des vollständig zerlegten ZEISS-Teleskops nutzten zwei Studenten, Amadeus Grabs und Raico Lange, vom Fraunhofer-Institut für Großstrukturen in der Produktion (Fraunhofer IGP Rostock). Im Laufe von mehreren Tagen scannten sie die Teleskopeinzelteile mit hochpräzisen Leica-Scannern vollständig in 3D ein. Unter der Anleitung von M. Sc. Jakob Ahrens entstanden daraus eine Studien- und eine Bachelorarbeit. Die heute noch vorhandenen technischen Original-Zeichnungen von ZEISS leisteten dabei eine wertvolle Unterstützung. Das Greifswalder Carl-Zeis-Doppelteleskop gehört damit wahrscheinlich zu den weltweit am besten dokumentierten ZEISS-Teleskopen.

Am 12. Juli 2022, kamen die restaurierten Einzelteile wieder zurück und die Vereinsmitglieder konnten mit der Wiederinbetriebnahme und dem Anlernen von neuen Mitgliedern im Umgang mit dem Teleskop beginnen. Auch wenn eine Welle des mechanischen Fliehkraftreglers komplett ersetzt werden musste, so war das Greifswalder ZEISS-Teleskop für sein Alter noch gut erhalten. Dank des umfangreichen Know-Hows von Restaurator Uwe Meiling konnten alle Originalteile wiederverwendet werden. Während der Restaurierung wurde das Teleskop um digitale Teilkreise zum schnelleren Auffinden der Himmelsobjekte ergänzt. Für noch schärfere Astrofotos wurde eine Innenbelüftung im Spiegelteleskop integriert. Die Generalrestaurierung 2024 fand unter der engagierten Leitung von Dr. Tobias Röwf statt.

Das Teleskop der Sternwarte liegt auf dem Boden vor dem Gebäude. Im Hintergrund wird gerade ein Filmbeitrag dazu gedreht.
Teleskop-Sternwarte

Die Finanzierung

Am 12. Juli 2024 feierte wurde die Sternwarte am Historischen Campus gemeinsam mit den geladenen 120 Freunden und Förderern mit einer Festveranstaltung in der historischen Aula der Universität wiedereröffnet.

Insgesamt wurden in den vergangenen Jahren über 170.000 Euro in den Erhalt und die Modernisierung der Sternwarte investiert. Neben den 50.000 Euro von ZEISS hat der Verein weitere 50.000 Euro aus eigenen Mitteln bereitgestellt. Diese kamen aus Eintritten, Mitgliedsbeiträgen und aus weiteren Spenden, wie zum Beispiel der Volksbank Greifswald, der Sparkasse Vorpommern und der Peter-Warschow-Sammelstiftung. Mehrfach hatte die Universität Greifswald die Kuppel der Sternwarte restauriert und die Räume unterhalten. Allein im Jahre 2020 wurden rund 61.000 Euro für die Reparatur der Rolltore benötigt. Die restlichen 9.000 Euro verteilen sich auf das Abdichten der Balkone, das Herrichten des Turmzimmers und auf die Miete für die 52-Meter-Autokräne. Der Greifswalder Sternwarte e.V. und die Universität Greifswald möchten sich bei allen Beteiligten für das großartige Engagement bedanken.

Der Verein

Seit der Vereinsgründung im Jahre 1992 konnten in über 2.200 Veranstaltungen zirka 37.000 Besucherinnen und Besucher aller Altersklassen begrüßt werden.

Der gemeinnützige Greifswalder Sternwarte e.V. wurde unter Leitung von Prof. Dr. Holger Kersten gegründet. Gründungsmitglied #001 war der weltbekannte Plasmaphysiker und damalige Institutsdirektor Prof. Dr. Alfred Rutscher (1931 – 2005). Neben dem Erhalt des Astronomieunterricht an den Schulen von Mecklenburg-Vorpommern kümmern sich die über 60 Mitglieder erfolgreich um den Erhalt, die Modernisierung und die Pflege des weltweit einzigartigen Doppelteleskops. Außerdem vergibt der Verein den „Manfred-Schukowski-Schülerpreis“, den „Johannes-Conrads-Förderpreis für Astronomie & Raumfahrt“ sowie den „Mayer-Röhl-Ehrenpreis für Lebenswerke in der Astronomie“.

Nach vorheriger Ankündigung bietet der Verein in der Regel am Ersten und Dritten Donnerstag im Monat öffentliche Führungen und Vorträge an. Gern können auf Anfrage auch individuelle Führungen vereinbart werden, zum Beispiel für Schul- oder Firmenausflüge, Weihnachtsfeiern, zum Rendezvous, Hochzeitstag oder Geburtstag. Dazu bitte eine kurze Email an: sternwarte-greifswald@web.de oder eine Nachricht auf den Anrufbeantworter unter:
03834 391 9517.

Besucheradresse
Altes Physikalisches Institut

Innenhof der Universität Greifswald
Domstraße 10a
17489 Greifswald

Postalische Adresse
Greifswalder Sternwarte e.V.

c/o Dirk Steinhauer
Weststraße 6
17509 Loissin OT Gahlkow

Die Grafik zeigt das Logo: Campus 1456

Autor*innen Info

Jan Meßerschmidt ist Pressesprecher der Universität. 

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