
Dr. Jenny Linek © Wally Pruß
Wie Dr. Jenny Linek eine effektive Gleichstellungsarbeit gemeinsam mit allen erreichen möchte
Bei ihrem Amtsantritt verriet Dr. Jenny Linek, Zentrale Gleichstellungsbeauftragte der Universität Greifswald, dass sie stets Trillerpfeife sowie gelbe und rote Karten bei Sitzungen dabei haben wird. Im Gespräch mit Campus*1456 verrät die fußballbegeisterte Historikerin nicht nur, ob sie die Schiedsrichtertools schon eingesetzt hat, sondern spricht auch über ihre ambitionierten Vorhaben. Und sie verrät, in welcher Epoche sie in Bezug auf Gleichstellungsfragen am liebsten leben würde.
Frau Linek, Sie sind nun 100 Tage Zentrale Gleichstellungsbeauftragte der Universität Greifswald. Wie oft mussten Sie die Trillerpfeife schon blasen und die rote Karte zücken? Und was gab den Anlass?
Die Trillerpfeife habe ich noch nicht rausholen müssen, aber sinnbildlich das eine oder andere Mal die gelbe Karte gezeigt, beispielsweise bei nicht paritätisch besetzten Berufungskommissionen. Ich brauchte in den ersten 100 Tagen im Amt die Zeit, um mich in die Spielregeln einzuarbeiten und das Spiel lesen zu lernen – um im Fußballjargon zu bleiben.
Mir ist es wichtig, dass alle zusammen das Tor erzielen. Insofern wende ich gerade sehr viel Zeit dafür auf, mich mit den verschiedenen Spieler*innen und dem Trainerteam an der Universität Greifswald auszutauschen und zu schauen, was wir dafür tun können, dass erst gar keine Regelverstöße stattfinden. Zudem sehe ich, dass es sehr viele weitere (Hilfs-)Schiedsrichter*innen gibt, die meine Arbeit unterstützen. Das finde ich richtig gut und würde gerne weiter dafür werben, die Gleichstellungsarbeit auf viele Schultern zu verteilen – auch wenn ich letztlich die mit dem Sanktionsset in der Hand bin. Doch der Kulturwandel, der für eine effektive Gleichstellungsarbeit so wichtig ist, kann nicht von einer Person allein angestoßen beziehungsweise vorgelebt werden – da müssen viele Leute mitmachen – idealerweise wir alle!
Warum wollten Sie Zentrale Gleichstellungsbeauftragte der Universität Greifswald werden?
Ich bringe eine gute Kombination aus Geschlechterforschung und Gleichstellungsarbeit an Hochschulen mit. Ich fühle mich also ausreichend qualifiziert und erfahren. Zu wichtigen Themen des Gleichstellungsbüros (Mentoring, Professorinnenprogramm, Genderpreis, Familienservice) hatte ich in meinen bisherigen Aufgaben viele Berührungspunkte. Und ich mag Herausforderungen! Ich wusste, dass man in diesem Bereich viel Gestaltungsspielraum hat, den möchte ich ausfüllen und nutzen. Nicht zuletzt stellte ich mich auf, weil ich interdisziplinäres Arbeiten und Vernetzungsaktivitäten schätze – auch das kann ich hier sehr gut anwenden.
Wo steht die Universität Greifswald in Bezug auf Gleichstellung?
Auf einem guten Weg! In einer Fakultät haben wir die Parität bei Professuren erreicht – bei anderen ist es noch ein längerer Weg. In vielen Fakultäten sind die Zahlen aber gestiegen. Die Anerkennung für das Thema ist groß und es gibt viele wichtige Programme, die Förderungen und Unterstützungsmaßnahmen ermöglichen. Es ist aber eine große Aufgabe, diesen Stand zu verteidigen und in anderen Bereichen weiter voranzukommen. Und wir müssen schauen, was die Zukunft bringt – die Aussichten geben natürlich Anlass zur Sorge.
Mir ist es wichtig, viele verschiedene Themenfelder in den Blick zu nehmen. Dabei möchte ich stets eine sehr inklusive und auch intersektionale Perspektive einnehmen. Das bedeutet, dass ich die Schnittmengen und Überschneidungen mit anderen sozialen Kategorien wie zum Beispiel dem sozialen Status oder Milieu, dem Alter und weiteren Faktoren berücksichtige. Zudem ist es mir ein Anliegen, immer wieder darauf hinzuweisen, dass Geschlechtergerechtigkeit nicht die Aufgabe nur eines Geschlechts ist und auch nicht eindimensional gedacht werden darf. Es braucht ebenso einen kritischen Blick auf Männlichkeiten wie auch gezielte Unterstützungsangebote in Bereichen, in denen beispielsweise Väter besonders gefragt und gefordert sind oder in denen bestimmte Männergruppen leicht aus dem Blick geraten können. Dies zeigt sich etwa bei Themen wie Essstörungen oder Depressionen.
Was sind Ihre drei zentralen Vorhaben für die nächsten drei Jahre?
Ich möchte erstens sehr viele gute Maßnahmen auf den Weg bringen mit den Projektgeldern aus dem Professorinnenprogramm, den Mentoringprogrammen und den Mitteln, die wir für die Berufung von Frauen vom Land erhalten. Zweitens plane ich, präventive Maßnahmen in Sachen Diskriminierung, Belästigung und Gewalt voranzubringen. Und drittens ist es mein Vorhaben, sehr viel Sensibilisierungsarbeit für den Kulturwandel zu leisten und viel in den Austausch zu gehen, um das Querschnittsthema Gleichstellung immer wieder deutlich zu machen.
Sie sind vom Haus aus Historikerin. Wenn Sie sich eine vergangene Epoche aussuchen dürften, in der Ihrer Meinung nach Gleichstellung besonders vorbildlich gelebt wurde, in welcher Zeit und wo würden Sie wirken? Warum gerade die Epoche und der Ort?
Oh, das ist eine schwierige Frage. Wir leben aktuell sicher in der besten Zeit für Gleichstellung. Ich würde es aber gerne punktuell mixen wollen mit dem Aufbruchsgeist aus der Weimarer Republik und auch ein paar Regelungen und Selbstverständlichkeiten aus der DDR-Zeit, in der aus meiner Sicht das Selbstverständnis für arbeitende Frauen, die Unterstützung für Alleinerziehende und die körperliche Selbstbestimmung hoch war.
In der Vergangenheit sah es deutlich schlechter aus für die Zugänge von Frauen zu Bildung, zu Führungspositionen und im Hinblick auf selbstbestimmte Lebensläufe und Entscheidungen. Hilfreich war sicherlich die Denkweise vor 1800, dass Männer und Frauen nicht grundlegend verschiedene Wesen und prinzipiell zu den gleichen Dingen fähig sind. Diese Sichtweise hätte ich gerne wieder stärker etabliert und nicht die, dass die „Natur“ uns unmittelbar vorgibt, wozu wir „vorherbestimmt“ sind. Denn: Männer können ganz fürsorgliche Väter und Pflegende sein, Frauen sehr durchsetzungsstarke Führungspersönlichkeiten. Dafür gibt es inzwischen genug empirische Beispiele!

Dr. Jenny Linek wurde im Frühjahr 2025 zur neuen Zentralen Gleichstellungsbeauftragten der Universität Greifswald gewählt. Sie trat ihr Amt am 1. Juni 2025 an. Sie ist Historikerin und arbeitete mehrere Jahre am Ostseefluchten-Projekt mit. Zuletzt war sie im InkE-Projekt tätig.
Interview: Elisabeth Böker, 11.9.2025