
Katrin Horn, © Wally Pruss
Wie Tratsch, Queerness und Populärkultur Katrin Horns Forschungsfeld wurde
Tratsch als analytisches Werkzeug? Für die Professorin Katrin Horn an der Universität Greifswald ist das keine Provokation, sondern Alltag. In ihrer Forschung fragt sie danach, was Gossip über gesellschaftliche Normen verrät – und warum gerade Populärkultur und queere Theorie wissenschaftlich so ergiebig sind.
Warum haben Sie sich für Ihr Fachgebiet Queer und Gender Studies entschieden?
Den Ausschlag für die Entscheidung für eine Promotion in der Amerikanistik gab die Breite der Themengebiete und Zugänge. Ich hatte ursprünglich Theater- und Medienwissenschaft studiert – mit Amerikanistik als eher zufälligem Nebenfach. Im Laufe des Studiums stieg jedoch mein Interesse an kulturwissenschaftlichen Fragen und an Theorien aus den Queer und Gender Studies. Dazu war in der Anglistik/Amerikanistik das Kursangebot deutlich größer. Mit der Promotion zu queeren Humorstrategien in zeitgenössischer Populärkultur legte ich mich dann auf die Amerikanistik fest – und fühle mich mit jedem neuen Forschungsprojekt in dieser Entscheidung bestätigt.
Was fasziniert Sie an Ihrem Fachgebiet besonders? Und womit beschäftigen Sie sich gerade in ihrer Forschung?
Aktuell forsche ich im Rahmen meines zweiten Buchprojektes zur Rolle und Relevanz von Tratsch in der US-amerikanischen Kultur des 19. Jahrhunderts. Dabei beschäftige ich mich mit dem Wert von Tratsch im Rahmen einer sich ausdifferenzierenden Zeitschriftenlandschaft und einer sich etablierenden celebrity culture, im Kontext des realistischen Romans sowie im autobiographischen Schreiben unterschiedlich marginalisierter Frauen. Die Grenzüberschreitung, die in Tratsch eingeschrieben ist – das öffentliche Gespräch über das vermeintlich Geheime, das Herstellen von Gemeinschaft durch das Gespräch über das Intimleben Dritter – macht Tratsch zu einer besonders aufschlussreichen Wissensform, wenn man wie ich an gesellschaftlichen Normsetzungen interessiert ist.
Außerdem arbeite ich gerade an zwei Publikationsformaten, die für mich neu sind. Das wäre zunächst einmal die Beteiligung an der Edition des Gesamtwerkes der Autorin (und ersten GewinnerIN des Pulitzerpreises) Edith Wharton, wobei mein Fokus auf ihren Übersetzungen aus dem Deutschen liegt. Und schließlich schreibe ich derzeit an einem Beitrag für einen Museumskatalog für die erste Retrospektive der neoklassizistischen Bildhauerin Emma Stebbins. So unterschiedlich das Alles klingt (und ist!), sind dennoch alle Einladungen und Initiativen aus meiner Arbeit zu Tratsch entstanden – diese Bandbreite ist einer der Aspekte, die mich an meinem Fachbereich fasziniert.
Welche Person oder welches Ereignis hat Ihren Bildungsweg besonders stark geprägt?
Ereignis? Der Besuch eines Anglistik-Proseminars zum Thema Camp war für mich wegweisend: Es wurde nicht nur zum Thema meiner Dissertation, sondern half mir auch, erste Stipendien einzuwerben, die mir eigenständige Forschung ermöglichten. Diese Erfahrungen qualifizierten mich für erste (Vertretungs-)Stellen in der Wissenschaft und halfen mir, weitere Forschungsprojekte anzustoßen, und das bis heute. Aktuell bereite ich mit einer Kollegin aus den USA die Herausgabe des Oxford Handboock of Camp and Screen Cultures vor.
Person? Das kann ich nur im Plural beantworten: meine Familie, die mich immer unterstützt hat (und wenn die Entscheidung für die Wissenschaft streckenweise fragwürdig erschien); Prof. Dr. Antje Kley, die mein Promotionsvorhaben durch ihr Interesse erst so richtig in Fahrt brachte und es dann durch Empfehlungsschreiben und Feedback am Laufen hielt. Eigentlich müssten hier aber auch alle Kolleg*innen genannt werden, die mir durch Stellen an ihren Lehrstühlen das Verbleiben in der Wissenschaft ermöglichten, hier insbesondere Prof. Dr. Sylvia Mayer, und allen, die mich in Forschungsnetzwerke aufgenommen haben, die ihre Kursunterlagen mit mir geteilt haben, die mich auf Konferenzen eingeladen haben oder meiner Einladung gefolgt sind, die meine Drittmittelanträge positiv evaluiert haben und so weiter. Wissenschaft beinhaltet aus meiner Sicht deutlich mehr Kooperation als es das Klischee suggeriert.
Wie motivieren Sie sich, wenn es einmal nicht so gut läuft in der Forschung?
Wenn gar nichts Anderes funktionieren will, dann ist das Transkribieren von Briefen eine schöne Mischung aus wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn und einfachem Abarbeiten (mehr dazu unter ArchivalGossip.com). Alternativ hilft es mir, zwischen Forschungsprojekten abzuwechseln, um wieder mit neuer Perspektive (und Motivation) an das Material herantreten zu können. Zu guter Letzt bleibt das Recherchieren und Lesen von Sekundärliteratur eine beliebte Form der Motivation (an der Grenze zur Prokrastination).
Was gefällt Ihnen an unserer Uni besonders gut?
Die Lage am Ryck und die Gebäude. Der Weg zur Arbeit und auch das Ankommen in der Uni macht bei schönen Backsteinfassaden und renovierten Innenräumen einfach mehr Spaß. Darüber hinaus gefällt es mir aber natürlich besonders gut, dass die Universität Greifswald eine Professur für Gender Studies eingerichtet hat und dass diese darüber hinaus am Institut für Anglistik und Amerikanistik angesiedelt ist. Ersteres finde ich unabhängig von meiner Person politisch sehr wichtig. Letzteres ist der Grund, warum diese Professur wie nur wenige andere in Deutschland zu meinem Forschungs- und Lehrprofil passt.
Gibt es eine Freizeitbeschäftigung, der Sie hier in Greifswald gerne nachgehen?
Seit dem Umzug meiner Familie nach Greifswald verbringen wir viel Zeit damit, die vielen Angebote vor Ort zu nutzen, insbesondere den Tierpark, aber auch damit, die Umgebung zu erkunden. Mindestens einmal pro Woche gehe ich außerdem auf dem Ryck paddeln – mehr Feierabendentspannung geht kaum.
Katrin Horn ist seit Oktober 2023 Professorin für Anglophone Gender Studies und seit Oktober 2024 Vorstandssprecherin des IZfG der Universität Greifswald. Nach dem Studium der Theater- und Medienwissenschaft und der Amerikanistischen Kultur- und Literaturwissenschaft an der FAU Erlangen-Nürnberg, wurde Katrin Horn 2015 mit einer Arbeit über queere Humorstrategien promoviert. Anschließend forschte sie an der Hochschule für Musik, Weimar, in einem Projekt zur Stimme in populärer Musik und lehrte an der JMU Würzburg. Als akad. Rätin an der Universität Bayreuth leitete sie ein DFG-Projekt zu Wissen und Wert von Tratsch, dessen wichtigste Quellen und Kontexte in ArchivalGossip.com erfasst sind. Katrin Horn war Visiting Fellow an der Harvard University, am Kluge Center der Library of Congress und am German Historical Institute in Washington, DC. Sie ist Autorin von Women, Camp, and Popular Culture: Serious Excess (Palgrave, 2017) und Mitherausgeberin von Bänden zur Stimme im Pop (transcript, 2015), transnationaler Performance (Routledge, 2021) und Kulturen des Spekulierens (Manchester UP, 2025).