Foto: Portrait Prof. Dr. Gerald Jurasinski, © Gina Heitmann
Aufgewachsen bei Quedlinburg kam Gerald Jurasinski durch seine Eltern, beide Biologen, früh in Berührung mit Natur und Naturschutz. Statt ins Ferienlager, ging es ins Lager für „Naturschutz und Erholung“. Aus dem Wunsch, vom Menschen veränderte Ökosysteme und Landschaften wieder verbessern zu können, entschied sich Gerald Jurasinski für das Studium „Landeskultur und Umweltschutz“ an der Uni Rostock. Nach seinem Abschluss als Diplom-Ingenieur arbeitete er ab 2001 bei Prof. Carl Beierkuhnlein an den Universitäten Rostock und Bayreuth und promovierte nach wiederholten Feldaufenthalten in Nordostmarokko zu Datenerhebung 2007 zum Thema „Spatio-Temporal Patterns of Biodiversity and their Drivers – Method Development and Application“.
Als PostDoc zurück an der Universität Rostock forschte er in der Arbeitsgruppe Landschaftsökologie und Standortkunde zu Treibhausgas-Austausch und Kohlenstoff-Kreislauf sowie zu lang- und mittelfristigen Vegetationsentwicklungen in Mooren und Wäldern. Nach mehreren erfolgreich eingeworbenen Forschungsprojekten leitete er von 2014 bis 2017 kommissarisch die Professur „Landschaftsökologie und Standortkunde“. Gastaufenthalte führten an die Uni Bergen, Norwegen, und mehrfach an die Uni Wien, Österreich. Seit Januar 2023 ist Gerald Jurasinski Professor für Moorforschung in Greifswald, der einzigen Professur mit dieser Denomination in Deutschland.
Warum haben Sie sich für Ihr Fachgebiet entschieden?
Das Fachgebiet hat sich eher für mich entschieden bzw. ich bin hineingewachsen. Während ich mich in der Promotionsphase noch eher mit von Trockenheit geprägter Vegetation beschäftigt habe, kam mit der PostDoc-Phase die Hinwendung zum Moor; hauptsächlich, weil mein damaliger Chef in diesem Bereich forschte. Mich faszinieren von jeher Grenz- und Übergangsphänomene in der Vegetation, und die Erfassung und Analyse von Treibhausgasaustausch und Kohlenstoffumsatz sind extrem spannende Themen, weil sie die Grundlage für das Funktionieren von Ökosystemen bilden.
Welche Bedeutung haben Moore für den Klimaschutz?
Moore können dazu beitragen, viele Herausforderungen zu lösen, mit denen die Menschen jetzt und in Zukunft konfrontiert sind. Moore sind riesige, aber gefährdete Kohlenstoffspeicher. Sie speichern und regulieren Wasser, beherbergen eine einzigartige Artenvielfalt und bieten wesentliche soziale und kulturelle Werte. Um diese Funktionen vollständig erfüllen zu können, müssen Moore nass sein. Entwässerte Moore verursachen massive wirtschaftliche und ökologische Schäden: Durch die Freisetzung des zuvor gespeicherten Kohlenstoffs stoßen sie weltweit das Doppelte der Treibhausgase aus, die durch Flugreisen entstehen. Die Erhaltung, Wiedervernässung und Wiederherstellung von Mooren ist von entscheidender Bedeutung, um globale und EU-Ziele in Bezug auf Klima, Bodengesundheit, Wasserhaushalt, Artenvielfalt und nachhaltige Sicherung der Lebensgrundlagen zu erreichen.
Welche aktuellen Forschungsfragen beschäftigen Sie derzeit am meisten?
In meiner eigenen Forschung geht es immer noch zentral um die Frage der Treibhausgasemissionen verschieden bewirtschafteter Moorstandorte. Insbesondere die Situation nach Wiedervernässung untersuchen wir vermehrt auf Ökosystemebene und bauen derzeit ein Netz an Untersuchungsstandorten auf, bei welchen wir langfristig den Treibhausgasaustausch und viele Begleitparameter erfassen. In Kooperation mit verschiedensten Partner*innen, z. B. aus der Mikrobiologie, der Biogeochemie, der Fernerkundung, der experimentellen Pflanzenökologie und vielen weiteren versuchen wir das Funktionieren der wiedervernässten und damit neuartigen Moorökosysteme besser zu verstehen, damit das zukünftige Management wissensbasiert erfolgen kann.
Was schätzen Sie besonders an Ihrer aktuellen Tätigkeit als Universitätsprofessor und Lehrstuhlinhaber der einzigen Professur für Moorforschung in Deutschland?
Ich schätze insbesondere das extrem breit und vielfältig aufgestellte Greifswald Moor Centrum, in welchem viele Menschen enthusiastisch gemeinsam an Moorthemen arbeiten, von der Grundlagenforschung bis hin zu Möglichkeiten der Umsetzung von Paludikultur inklusive sozioökonomischer Aspekte. Die Studierenden sind zudem extrem motiviert und kommen aus dem gesamten Bundesgebiet und für den Master Landscape Ecology & Nature Conservation sogar aus anderen Ländern, um genau diesen Studiengang hier in Greifswald zu studieren. Gemeinsam mit unseren Partnern im Institut und in der Universität bieten wir ein einzigartiges Ausbildungsprofil. Die Moorkunde und Paläoökologie war immer ein zentrales Element der Ausbildung im von Michael Succow entwickelten Studiengang Landschaftsökologie und Naturschutz. Das wird auch in Zukunft so bleiben.
Was ist Ihr Lieblingsort in Greifswald?
Das ist schwer zu sagen. Ich mag die Gegend um Wieck und Eldena an der Ryck-Mündung sehr. Da hat man zum einen das maritime, touristische Flair und nicht weit davon die Natur des Waldes. Moor-Reste, z. B. das Ladebower Moor sind auch nicht weit.
Autor*innen Info
Das Interview führte Lara Frese, Studentische Hilfskraft in der Hochschulkommunikation.