Der Bundesumweltminister Carsten Schneider bei einem Besuch an der Universität Greifswald und dem Greifswald Moor Centrum, © E. Böker
Greifswald Research Award für Prof. Dr. Sabine Schlacke und Dr. Franziska Tanneberger
Der diesjährige Greifswald Research Award zeichnet zwei Wissenschaftlerinnen aus, die aus verschiedenen Disziplinen kommen, aber eins eint: der Wille, Wissen nicht nur zu produzieren, sondern es aktiv in politische Prozesse einzubringen. Die Moorforscherin Dr. Franziska Tanneberger und die Umweltjuristin Prof. Dr. Sabine Schlacke stehen für exzellente Forschung – und dafür, sie entschlossen in politische Entscheidungen zu tragen. Von Greifswald aus geben sie dem Klima- und Naturschutz entscheidende Impulse.
Die Preisverleihung des Greifswald Research Awards 2025 wird am Donnerstag, 11.12.2025, 16:00 – 18:00 Uhr, in der Aula der Universität Greifswald stattfinden. Prof. Dr. Andreas Korbmacher, Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, hält den Festvortrag „Globaler Klimaschutz durch Gerichte – bahnbrechende Lösung oder gefährlich übergriffig?“.
Dr. Franziska Tanneberger hält Wissenschaft nicht für ein Reservat der Fachwelt. Sie will Erkenntnisse „in die Gesellschaft tragen“ und politischen Entscheidungen ein solides Fundament geben. Früh lernte sie, wie Politik funktioniert: als Berliner Schülerin im Gespräch mit Abgeordneten, später auf internationalen Konferenzen, wo ihrer Ansicht nach oft erstaunlich kleine Delegationen globale Weichen stellen. 2018/19 führte sie ihr Einsatz für die Paludikultur an einem einzigen Tag zu 14 Gesprächen mit Europaabgeordneten. „Das zeigte mir, wie schnell Politik auf gute Argumente reagieren kann“, sagt sie. Im November 2025 nahm sie an der Klimakonferenz COP30 teil und startete mit vielen Partnern den globalen ‚Peatland Breakthrough‘.
Von der Schulbank zur Klimapolitik
Ihr Engagement bleibt mehrdimensional: lokal durch die Arbeit im Land Mecklenburg-Vorpommern, europäisch, international durch Beiträge zu Klimaverhandlungen und globalen Moorstrategien. Zugleich betont die Leiterin des Greifswald Moor Centrum, wie groß die Herausforderungen sind: Obwohl entwässerte Moore vier Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verursachen, beschäftigten sich auf der letzten Klimakonferenz in Brasilien kaum mehr als ein Dutzend Expert*innen intensiv mit dem Thema. Etwa 50 000 Vertreter*innen aus 198 Vertragsstaaten waren insgesamt vor Ort. „Die Arbeit“, sagt sie, „gleiche daher einem mühsamen Prozess. Der Durchbruch ist noch nicht erreicht.“
Recht als Motor des Klimaschutzes
An diesem Punkt schließt die Arbeit von Prof. Dr. Sabine Schlacke an. Die renommierte Umweltjuristin versteht Rechtswissenschaft als „dienende Disziplin“ – in erster Linie für die Rechtspraxis und auch für andere Disziplinen. Besonders ihr Engagement im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) hat zur rechtlichen Ausgestaltung zentraler Klimapolitik beigetragen. Dort arbeitete sie unter anderem am Transformationsgutachten 2011 und an rechtlichen Leitplanken des Pariser Abkommens mit, das 2015 verabschiedet wurde.
Einen entscheidenden Greifswalder Impuls brachte jedoch u. a. die Zusammenarbeit mit Dr. Franziska Tanneberger: Ein zusammen mit Prof. Dr. Michael Sauthoff erarbeitetes Rechtsgutachten zu Anforderungen an Moorwiedervernässungsprojekte entwickelte sich für Prof. Dr. Sabine Schlacke zu einer der wirkungsstärksten Publikationen ihrer Karriere. „Die Resonanz in Verwaltungspraxis, Politik und Wissenschaft ist kaum vergleichbar gewesen. Zahlreiche Folgeaufträge hat es ausgelöst.“ Heute ist Schlacke Mitglied im Greifswald Moor Centrum – eine institutionelle Verbindung, die sie nicht nur fachlich, sondern auch persönlich bereichert: „Ungewöhnlich offen, getragen von großer Fachkunde und kooperationsfreudig ist die Mitarbeit im Greifswald Moor Centrum.“
Offene Türen für interdisziplinäre Forschung in Greifswald
Beide Forscherinnen betonen, wie sehr sie in Greifswald ein Umfeld gefunden haben, das interdisziplinäres Arbeiten nicht nur ermöglicht, sondern aktiv fördert. Dr. Franziska Tanneberger sagt: „Was ich ganz ehrlich empfinde, ist eine starke Dankbarkeit der Universität Greifswald gegenüber.“ Prof. Dr. Sabine Schlacke schließt sich dem an: „Die Universität Greifswald und die hiesige Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät haben mir die große Chance eröffnet, einen Schwerpunkt im Umwelt- und Klimaschutzrecht im rechtswissenschaftlichen Studiengang zu kreieren, der auch für andere Studiengänge offen ist.“ In Greifswald konnte sie sehr schnell an ihre umweltrechtlichen Forschungen an den Universitäten Bremen und Münster anknüpfen: Im von ihr bei ihrem Start in Greifswald 2021 gegründeten Institut für Energie-, Umwelt- und Seerecht (IfEUS) wird Drittmittelforschung, Lehre und Politikberatung eng miteinander verzahnt. Es wird mittlerweile von einem großen, dynamischen und sehr engagierten Team getragen.
Wissenschaft, die Studierende bewegt
Doch wie profitieren die Studierenden von dem Engagement? Dr. Franziska Tanneberger vermittelt ihr Wissen vor allem über eine feste Lehrveranstaltung, die sie seit vielen Jahren jährlich anbietet. Sie erlebt dabei, dass Studierende gezielt wegen des Themas Moor und Klimaschutz nach Greifswald kommen. In ihrer Lehre geht es ihr um drei Dinge: Große ökologische Zusammenhänge erklären, eine internationale Perspektive einholen und Neugier und kritisches Denken fördern. Prof. Dr. Sabine Schlacke hat an der Universität Greifswald den juristischen Schwerpunktbereich Umwelt-, Energie- und Seerecht aufgebaut. Ihre Lehrveranstaltungen sind aktuell, eng verzahnt mit Gesetzgebung, Rechtsprechung und politischer Entwicklung. Sie arbeitet mit einem über 20-köpfigen Team aus studentischen Hilfskräften und Nachwuchswissenschaftler*innen sowie mit den Kollegen Prof. Sauthoff und Prof. Buckler eng zusammen. Exkursionen – selbstverständlich auch ins Moor – und die Kooperation mit dem Greifswald Moor Centrum machen ihre juristische Lehre praxisnah.
Der Greifswald Research Award würdigt nicht nur zwei herausragende Karrieren, sondern auch ein Forschungsumfeld, das beispielhaft zeigt, wie wirksam Wissenschaft sein kann, wenn Disziplinen einander zuhören und gemeinsam handeln. In Greifswald ist aus dieser Verbindung ein Modell entstanden, das weit über die Region hinaus Bedeutung hat – für den Schutz der Moore, für den Klima- und Umweltschutz insgesamt und für die Frage, wie Wissen Politik gestalten kann.
Die Preisträgerinnen
Prof. Dr. Sabine Schlacke erhält den Greifswald Research Award in der Kategorie „Senior-Award“ für ihre herausragenden Verdienste in der wissenschaftlichen Politikberatung. In zahlreichen hochrangigen Gremien der Bundesregierung bringt die Juristin ihr Fachwissen ein und treibt umwelt- sowie klimapolitische Entwicklungen maßgeblich voran. Sie ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) und gehört dem Lenkungskreis der Wissenschaftsplattform Klimaschutz (BMFTR) an. Darüber hinaus ist sie Mitglied des Beirats des BMWSB für Raumentwicklung, Mitglied der DFG-Senatskommission für Grundsatzfragen der biologischen Vielfalt und Vorsitzende der Gesellschaft für Umweltrecht (GfU).
Mit dem „Junior Award“ des Greifswald Research Awards wird Dr. Franziska Tanneberger für ihre herausragenden Verdienste in der Moorforschung und ihr Engagement für zukunftsweisende Klimaschutzstrategien ausgezeichnet. Ihre Forschung zeigt Wege auf, wie Moorböden als bedeutende Kohlenstoffspeicher geschützt und gleichzeitig genutzt werden können. Gemeinsam mit Dr. Greta Gaudig leitet sie das Greifswald Moor Centrum, eine Kooperation von Universität Greifswald, Michael Succow Stiftung und DUENE e. V. Auch in der Politikberatung nimmt Tanneberger eine wichtige Rolle ein: Sie ist Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung (RNE) der Bundesregierung und war 2020/2021 Ko-Vorsitzende des Zukunftsrats Mecklenburg-Vorpommern. Für ihre umfassenden Leistungen erhielt sie 2024 zudem den Deutschen Umweltpreis.
Über den Greifswald Research Award
Der Greifswald Research Award ist eine seit 2013 vergebene Auszeichnung des Greifswald University Club (GUC), mit der herausragende Forschungsleistungen an der Universität Greifswald und ihr Transfer in Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt gewürdigt werden. Der „Senior-Award“ honoriert lebenslange Beiträge zur anwendungsorientierten Forschung, während der „Junior-Award“ Arbeiten von Postdocs auszeichnet.
Artikel: Dr. Elisabeth Böker, 07.12.2025
